MAV Plakatleinwand Aufn  17 03 2016

Aufnahme: A. Ziesmann

Konseqenzen

Aufsichtspflichtverletzung kann zivil-, straf- und arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, daher möchten wir hier mögliche Folgen auflisten

Zivilrechtliche Folgen ziehen in der Regel Schadenersatzansprüche und Schmerzensgeldforderung nach sich. Für die Mitarbeitenden ist diese Folge nachrangig, da die häufigsten zivilrechtlichen Ansprüche durch den Abschluss einer Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung gedeckt werden können. Außerdem sind die Kinder in Tageseinrichtungen von der Unfallversicherung des Trägers versichert.

Strafrechtliche Folgen ziehen unter anderem eine Haft- oder Geldstrafe nach sich. Dazu muss jedoch der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) oder die der fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) vorliegen. Einen Link zu den Paragraphen finden Sie am Ende der Ausführungen.

Fachkräfte von Kindertageseinrichtungen können nur dann bestraft werden, wenn die ihnen anvertrauten Kinder aufgrund einer nicht hinreichend wahrgenommenen Aufsicht verletzt oder getötet werden. Ob eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt, entscheidet das Gericht. Schwierig ist es in strafrechtlicher Hinsicht, eine Aufsichtspflichtverletzung nachzuweisen, weil Fachkräfte gleichzeitig und zusätzlich zur Aufsichtspflicht einen pädagogischen Auftrag zur Selbständigkeitserziehung des Kindes haben. Dieser pädagogische Auftrag begründet und rechtfertigt oftmals das Verhalten einer Fachkraft, auch wenn es zu einem Schaden kommt. Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ und der erforderliche Nachweis einer schuldhaften Verletzung der Aufsichtspflicht führen dazu, dass es in der Praxis selten zu strafrechtlichen Konsequenzen kommt.

Arbeitsrechtliche Folgen können eine Abmahnung oder eine Kündigung sein. Der Unterschied zu zivil- oder strafrechtlichen Folgen liegt darin, dass zunächst kein Schaden entstanden ist. Die Aufsichtspflicht kann auch verletzt sein, wenn die vertragliche Dienstpflicht verletzt wurde. Je nach Schwere des „Vergehens“ bestehen verschiedene Möglichkeiten der Arbeitsrechtlichen Folgen.

Maßnahmen können sein:
Eine formlose Belehrung / Ermahnung – diese Art kennzeichnet sich dadurch aus, dass sie keine Kündigungsandrohung enthält
eine Abmahnung – beinhaltet eine deutliche und ernstliche Missbilligung des Verhaltens der Fachkraft und ist mit der Aufforderung das Verhalten zu ändern versehen.
eine außerordentliche Kündigung – diese Art der Kündigung bedarf eines wichtigen Grundes. Je nach Schwere der Aufsichtspflicht kann ein wichtiger Grund angenommen werden.

Abmahnung – ist eine deutliche und ernstliche Missbilligung des Verhaltens des Mitarbeitenden und fordert dazu auf, dass Verhalten zu ändern. Eine Abmahnung weist auf die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses hin. Sie hat folgende Funktionen:

- Dokumentations- und Beweisfunktion
- Erinnerungs- und Hinweisfunktion (an vertragliche Pflichten und Hinweis zur Verhaltensänderung)
- Ankündigungs- und Warnfunktion (Androhung weiterer Konsequenzen und ggf. Kündigung)

Eine Frist zur Erteilung einer Abmahnung ist nicht vorgeschrieben. Sollte jedoch, um ihren Zweck zu erfüllen, innerhalb von zwei Wochen nach dem abzumahnenden Ereignis erfolgen. Abmahnungen können auch von Personal-, Abteilungsleiter und anderen Vorgesetzten ausgesprochen werden. Dazu hat der Arbeitgeber sein Abmahnungsrecht auf einen dieser Personen übertragen.
Zur Abmahnung berechtigt sind auch Mitarbeitende, die dem abzumahnenden Mitarbeitenden verbindlich Anweisungen über Ort, Zeit sowie Art und Weise der Dienstleistung erteilen können. In der Regel trifft dies auf Einrichtungsleitungen von Kindertagesstätten zu. Abmahnung müssen jedoch eine korrekte Form einhalten, welche ein konkretes Fehlverhalten detailliert beschreibt und zur Unterlassung auffordert.

Außerordentliche Kündigung - im Gegensatz zur ordentlichen (fristgerechten) Kündigung bedarf es zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung eines wichtigen Grundes. Je nach Schwere der Aufsichtspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund angenommen werden. Die Bestimmung eines wichtigen Grundes ist jedoch ohne Würdigung des jeweiligen Einzelfalles kaum möglich. Nicht zuletzt ist aus diesem Grund die Feststellung einer Aufsichtspflichtverletzung im Straffrecht in die Verantwortung der Gerichte gelegt. Allerdings ist ohne einen eingetretenen Schaden durch die Verletzung der Aufsichtspflicht eine Kündigung in der Regel nur im Wiederholungsfall gerechtfertigt. Ferner ist davon auszugehen, dass es sich bei einer Kündigung wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht um eine verhaltensbedingte Kündigung handelt, für die eine vorherige Abmahnung erforderlich ist. Eine Kündigung ohne Abmahnung ist nur dann möglich, wenn die Abmahnung als ungeeignetes Mittel erscheint. Davon ist unter anderem auszugehen, wenn:

die Fachkraft nicht gewillt ist, ihr (fehlerhaftes) Verhalten zu ändern und / oder
wegen der Schwere der Vertragsverletzung die Fortführung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist (davon ist bei einer nachgewiesenen Aufsichtspflichtverletzung bei hoher Gefahr von Leib und Leben auszugehen, wie Sie im Falle einer eingetretenen schweren Verletzung eines Kindes oder einem Todesfall anzunehmen ist).

Kriterienkatalog zur Aufsichtspflicht in Kindertagesstätten - wenn aus strafrechtlicher Sicht keine Verletzung der Aufsichtspflicht in einem Schadensfall festzustellen ist, so kann davon ausgegangen werden, dass auch arbeitsrechtlich keine Konsequenzen zu erwarten sind. Um Kriterien zur Erfüllung der Aufsichtspflicht zu bestimmten, können daher Erkenntnisse der strafrechtlichen Würdigung zur Aufsichtspflichtverletzung herangezogen werden. Bei der Prüfung zur Einschätzung einer Ausgestaltung der Aufsichtspflicht besteht dabei über die folgenden Kriterien:

Pädagogischer Auftrag: Die Aufsichtspflicht erstreckt sich auf einen notwendigen Mindestumfang, der die gebotene Erziehung zur Selbständigkeit des Kindes ermöglicht.

Kriterien des Kindes

- Alter des Kindes
- Persönlichkeit des Kindes (eher ein wildes oder ruhiges Kind? Wie hat sich das Kind bisher in welchen Situationen verhalten?)
- Verhalten in Gruppen
- Zusammensetzung der Gruppe
- Kenntnis der Kinder untereinander
- körperlicher, kognitiver, emotionaler und sozialer Entwicklungsstand des Kindes
- Behinderungen, Gesundheitsschäden und Allergien des Kindes

Kriterien der Beschäftigung und der Umgebung

- Wie gefährlich ist die Beschäftigung?
- Wo findet die Beschäftigung statt (Umgebung? Gefährlich / Übersichtlich? / den Kindern bekannt? / den Fachkräften bekannt?)
- „Einweisung“ der Kinder in die Beschäftigung
- „Einweisung“ der Kinder in die Umgebung

Kriterien der Fachkraft

- Berufserfahrung der Fachkraft
- Qualifikation der Fachkraft
- Wie lange / wie gut kennt die Fachkraft die Kinder?
- Wie gut kennt die Fachkraft das Gelände?
- Persönliche Belastbarkeit / persönliche Fähigkeiten und Einschränkungen der Erzieherin

Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es für Fachkräfte in Kindertagesstätten selten zu straf- und / oder zivilrechtlichen Konsequenzen kommt. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass ein Schaden eingetreten ist. Bezüglich zivilrechtlicher Folgen ist eine Absicherung durch die Unfallversicherung des Trägers oder eine Berufshaftpflichtversicherung der Fachkraft gut zu realisieren. Im Strafrecht muss ein schuldhaftes Verhalten der Fachkraft von einem Gericht nachgewiesen werden. Die Nachweispflicht hierzu liegt bei der Staatsanwaltschaft. Im Unterschied zum Zivil- und Strafrecht kann eine Verletzung der Aufsichtspflicht im Arbeitsrecht jedoch auch ohne Eintritt eines Schadenfalls geahndet werden. Insofern liegen arbeitsrechtliche Konsequenzen wegen einer Aufsichtspflichtverletzung näher als straf- oder zivilrechtliche Folgen. Schützen können sich Arbeitnehmer gegen arbeitsrechtliche Konsequenzen, indem die Kriterien zur Einschätzung der Aufsichtspflicht beachtet werden. Eine vorhandene Rechtsschutzversicherung, die auch Arbeitsrecht beinhaltet kann ggf. im Streitfall hilfreich sein, um (unrechtmäßige) arbeitsrechtliche Ahndungen einer juristischen Prüfung zu unterziehen. Grundsätzlich aber gilt, dass vermeintliche oder tatsächliche Aufsichtspflichtverletzungen im Einzelfall differenziert juristisch geprüft werden und sich stets ein juristischer Beistand empfiehlt.
(eingestellt: 2021-02-18)