MAV Plakatleinwand Aufn  17 03 2016

Aufnahme: A. Ziesmann

Arztbesuch an den Rand der Arbeitszeit legen

Arztbesuch an den Rand der Arbeitszeit legen

Wenn es irgendwie möglich ist, muss der Arbeitnehmer den Arztbesuch an den Rand der Arbeitszeit legen, da er sonst die so genannte Leistungspflicht verletzt. Der Arbeitnehmer muss versuchen, den Schaden – in diesem Fall den Arbeitsausfall – für den Arbeitgeber möglichst gering zu halten. Jedoch sind solche sehr frühen oder späten Arzttermine bei vielen Berufstätigen begehrt und entsprechend weit im Voraus ausgebucht. Und eine wochenlange Wartezeit ist dem Arbeitnehmer in der Regel nicht zumutbar.

Ob ein Arztbesuch dringend ist oder nicht in beiden Fällen sind die Beschäftigten grundsätzlich verpflichtet, einen frühen oder späten Termin zu wählen. Dadurch wird der Arbeitgeber durch die notwendigen Fahrtzeiten nicht zusätzlich belastet.
Manchmal gibt die Arztpraxis einen bestimmten Termin vor. In so einem Fall müssen zunächst die tariflichen Regelungen beachtet werden. Beispielsweise kann die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers für Arztbesuche während der Arbeitszeit davon abhängig gemacht werden, dass der Arztbesuch zu der festgelegten Zeit „medizinisch unvermeidbar“ ist (vgl. Landesarbeitsgericht Halle/Saale vom 23.06.2010 – 5 Sa 340/09). Das gleiche gilt z. B. auch bei einer Blutabnahme am Morgen, zu der die Patientin oder der Patient in nüchternem Zustand erscheinen muss.
Wenn die Behandlung dagegen nur während der Arbeitszeit erfolgt, weil das der jeweiligen Praxis besser in den Terminplan passt (also „praxislaufbedingt“), kann eine Entgeltfortzahlungspflicht ausgeschlossen sein.
Für eine betriebliche Gleitzeitregelung bestehen gesonderte Vereinbarungen: Wenn keine ausdrücklich anderweitige Regelung besteht, können Beschäftigte für einen Arztbesuch in der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen (vgl. Landesarbeitsgericht Hamm vom 11.12.2001 - 11 Sa 247/11 -, LAG-Report 2002, 134).

Wenn der Arbeitnehmer keinen Termin außerhalb der Arbeitszeit bekommt, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bezahlt freistellen, wie das Bundesarbeitsgericht im selben Urteil erklärte: „Notwendig aus der Sicht des Arbeitnehmers ist ein Arztbesuch auch schon dann, wenn der Arzt ihn zu einem bestimmten Termin einbestellt und der Arzt den terminlichen Wünschen des Arbeitnehmers auf Verlegung der Untersuchung oder Behandlung nicht nachkommen kann oder will.“ (Az.: 5 AZR 92/82).
Doch was, wenn der Arzt zwar Sprechstunden außerhalb der Arbeitszeit anbietet, der nächste freie Arzttermin aber erst übermorgen wäre, nächste Woche oder in zwei Monaten? Da es eine pauschale Antwort auf diese Frage nicht gibt, entscheidet im Zweifel das Arbeitsgericht was noch zumutbar ist.

Muss der Arbeitnehmer einen Arzttermin am Rand der Arbeitszeiten wählen?
Kann der Arbeitgeber von seinem Mitarbeiter fordern, dass dieser einen anderen Arzt um einen besseren Termin bittet?

Ich hab‘ morgen früh um 11 einen Arzttermin“, sagt Mitarbeiter Meier zum Chef. „Ging nicht anders; sonst war nix mehr frei.“ – „Nix da, Meier“, sagt der Chef. „Du kannst schließlich auch zu ’nem anderen Arzt gehen. Hier im Nachbarhaus ist einer, der hat auch kurzfristig immer Zeit. Der ist auch viel näher dran am Büro, da kannste in der Mittagspause schnell rüberlaufen.“

Darf der Arbeitgeber das? Nein, darf er nicht – auch diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht 1984 geklärt. Jeder Arbeitnehmer dürfe den Arzt seines Vertrauens aufsuchen, heißt es in dem Urteil zum Thema Arztbesuche in der Arbeitszeit. „Die Wahl des Arztes hat Vorrang vor der im Übrigen gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers.“ (Az.: 5 AZR 455/81).

Das gilt auch dann, wenn die Sprechzeiten des gewählten Arztes mit der Arbeitszeit kollidieren. Will der Arbeitnehmer zu einem Arzt gehen, der immer nur vormittags Sprechstunde hat, dann darf er während der Arbeitszeit da hingehen.
(eingestellt am: 2021-05-12)

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